Hallo,

natürlich hat der Urheber die Freiheit, Lizenzbedingungen zu formulieren, die beispielsweise auch ethische Bedingungen enthalten.

Und alle anderen haben die Freiheit, diese Lizenz dann eben nicht "Freie-Software-Lizenz" zu nennen, sondern als proprietär anzusehen.

Es ist jedem unbenommen, eine proprietäre Lizenz zu formulieren und durch seine Schöpfungen beispielsweise Milliardär zu werden.

Aber niemand kann gezwungen werden, eine Software-Lizenz als "frei" oder "Open-Source-Lizenz" anzuerkennen, wenn diese Lizenz seinen oder ihren Bedingungen nicht genügt. Und wenn "use for any purpose" eine dieser Bedingungen ist, dann muss ein Entwickler, der hier Einschränkungen vornehmen will, eben akzeptieren, dass seine Software von dieser Person nicht "frei" genannt wird.

Diese Meinungsfreiheit gilt sowohl für einzelne Personen als auch kollektiv (beispielsweise für die FSF, FSFE, OSI, Debian etc.).

Es ist auch nicht so, als hätten die Menschen, denen Softwarefreiheit ein Anliegen ist, nicht auf neue Herausforderungen reagiert (Nutzung von Software mittels Internet -> AGPL; Bedrohung durch Softwarepatente und "Tivoisierung" -> GPLv3 etc.; Erweiterung des OSI-Katalogs um eine 10. Bedingung).

Die angesprochenen ethischen Fragen sind aber oft uralt (Krieg und Frieden, Töten von Tieren des Verzehrs wegen etc.). Auch die Gefahren, die vom Technik ausgehen können, sind im Prinzip altbekannt (Missbrauch von Werkzeugen, "Dual Use", Schadens- und Zerstörungspotential bei Fehlern (daher wurde vor langer Zeit ein "Dampfkesselüberwachungsverein" gegründet), Zurechnung einer Schadenverursachung durch Gegenstände (Tiere, Maschinen, z. B. Kraftfahrzeuge, Gebäude etc. an Personen (Halter, Hüter, Eigentümer)).

Aus gutem Grunde wurden diese Fragen bisher in allgemeinen Gesetzen abgehandelt und nicht in individuell formulierten Lizenzen für einzelne urheberrechtlich geschützte Werke.

Wer übrigens tatsächlich gewillt ist, einen Angriffskrieg zu führen oder an einem Völkermord mitzuwirken, wird sich von der Verwirklichung seiner verbrecherischen Absichten kaum von den (zusätzlichen) Strafandrohungen oder finanziellen Ansprüchen des Urheberrechts abhalten lassen. Und das ethische, moralische oder rechtliche Urteil über einen Massenmörder wird wohl nicht wesentlich von einer tateinheitlich begangenen Urheberrechtsverletzung beeinflusst.

Wer mag, soll sich also mit anderen Menschen zusammentun und ein "Ethik-Siegel" für Software-Lizenzen kreieren. Nur soll nicht von mir oder anderen verlangt werden, solche Lizenzen gegen meine oder unsere Überzeugung als "frei" anzuerkennen.

Mit freundlichem Gruß
Michael



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