Hi Ilu, alle;
Am 18.03.21 um 22:34 schrieb Ilu:
Am 18.03.21 um 20:59 schrieb Kristian Rink:
Nehmen wir mal an, wir könnten jetzt auf der grünen Wiese beginnen
(und bräuchten weniger Ressourcen als AutoDesk, ... beträchtliche
Menge an > Ressourcen, ... interdisziplinär ...
Diese Fachkräfte in dieser Anzahl gibt es auf dem Markt nicht, egal für
welches Geld.
Das glaube ich gar nicht, sonst gäbe es solche Anwendungen grundsätzlich
wohl nicht. Die interessantere Frage aber: Nehmen wir einen Entwickler,
der tagsüber Kernlogik in AutoCAD pflegt und nach dem Dienst den Rechner
ausschaltet und durch die Berge wandert. Wie bekommt man so jemanden,
idealerweise noch mehrere davon, hinter FLOSS? Was braucht es dafür
finanziell, organisatorisch, strukturell? Wer plant, führt, organisiert
solche Projekte?
Der Wettbewerb mit proprietäre Software um *Nutzer* ist eigentlich nur
das Ende der Kette. Der Wettbewerb um Fachkräfte für *Entwicklung* ist
viel kritischer aus meiner Sicht.
Im Umkehrschluss: Warum haben wir über ein halbes Dutzend von
halbfertigen Linux-Desktop-Umgebungen, eine unzählbare Menge von nur
in Nuancen variierenden Linux-Distributionen, ...
Weil *Freiwillige* offensichtlich genau darauf Lust haben.
Dann wird es mit FLOSS aber nicht besser als mit proprietärer Software.
Unter der Annahme, dass Software hinreichend komplex ist (und ich die
keinesfalls selbst warten, pflegen, fixen kann, vermutlich auch nicht
imstande bin, mit realistischen Mitteln Dritte dafür zu beauftragen)
kann ich wählen zwischen Software, bei der ich auf die Gnade eines
Herstellers angewiesen bin, oder Software, die von Lust und Laune von
Freiwilligen abhängt. Die Frage, wen ich womit eher in meinem Sinne
motivieren kann, ist für mich grad schwer zu beantworten. Nachhaltig
scheint beides überhaupt nicht zu sein.
... wo es für langfristigen Erfolg sehr viel wichtiger wäre - nämlich
in die hochspezialisierten fachlichen Nischen?
Weil den Freiwilligen für Fachanwendungen ohnehin die Kompetenz fehlt.
Ja. Ich glaube auch nicht an "freiwillige" Arbeit als Lösung für diese
Probleme. Aber Communities könnten Ressourcen besser bündeln -
mindestens dadurch, dass sie (theoretisch) die Menge an entbehrlich
doppelt getaner Arbeit minimieren, die man hat, wenn proprietäre
Anbieter Software in Wettbewerb im stillen Kämmerchen "gegeneinander"
bauen.
Diese Probleme kann man nach derzeitigem Sachstand nur angehen durch
Investition in Wine und Oberflächen wie PlayOnLinux (das leider
furchtbar elendiglich dahinkrebst). 1000 Stunden reichen nicht für eine
einzige Branchenanwendung, aber investiert in Wine schafft das Lösungen
für viele Branchenanwendungen.
Das verstehe ich nicht. Wie hilft WINE hier?
- Bei den "Altanwendungen", die ich loswerden will, ist nicht das
Windows untendrunter, sondern die Anwendung selbst das Problem. Ob ich
das alte Windows virtualisiere und ordentlich abschotte oder die
Anwendung auf einen Emulator hebe, ändert nichts daran, dass ich nicht
von der Anwendung wegkomme.
- Bei neuen (proprietären) Anwendungen, die ich kaufe und bei denen ich
üblicherweise auch für Support bezahle, ist WINE eher schwierig, weil:
Wie viele Hersteller gewähren Support für Anwendungen, die auf WINE
laufen? Dann habe ich die Entscheidung zu treffen, ob ich aus
politischen Erwägungen das Betriebssystem (die für mich eigentlich
uninteressanteste Komponente in meiner Umgebung) austausche gegen einen
Emulator, damit den Support für mein System wegwerfe und das Risiko
fahre, meine Mitarbeiter potentiell zu blockieren, wenn ich irgendeinen
Fehler finde, den der Hersteller mir in dieser Konstellation nicht lösen
kann.
Viel schlimmer sind behördliche Vorgaben:
Betriebliche Steuererklärung geht - wegen verkorkstem Elster - nur mit
Windows/MacOS, keine Chance in Wine. In anderen Bereichen, zB
Gesundheitswesen, zwingen gesetzlich vorgeschriebene Zertifizierungen zu
Windows. Hier ist die FSFE gefragt, politischen Druck aufzubauen. PMPC
ist ein sehr guter Ansatz, denn es fördert beim Verordnungsgeber das
richtige Bewusstsein.
Agreed. Das indes scheint gleichermaßen Leuchtturm und naheliegendster
(vielleicht auch trivialster) Fall für PMPC: Software nach Vorgaben des
Gesetzgebers, mit Behörden im Hintergrund. Hier *hätte* ich (politischen
Willen und Bewusstsein vorausgesetzt) am ehesten die Möglichkeit,
Strukturen zu schaffen, nicht nur Vorgaben, sondern auch den Rahmen für
Software, Standards, ... zu schaffen, die diese Vorgaben umsetzen. Bei
Fachanwendungen für privatwirtschaftliche Unternehmen, für die es einen
Markt mit etablierten Lösungen gibt, sehe ich das deutlich kritischer...
Viele Grüße,
Kristian
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