Hallo Roland, halle; vorab: Ich finde die Diskussion gut (danke dafür), sehe aber auch, daß das zeitlich im Moment entgleitet, deswegen nur noch kurz ein Punkt zu einem Thema, das für mich zentral ist:
Am Mittwoch, den 09.10.2019, 23:11 +0200 schrieb Roland Hummel: > Auf Grundlage meiner Aussagen würde ich folgendes Fazit ziehen: Deine > Lösung hat sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen > abgefunden. > Das verstehe ich und vielleicht bin ich "in 5 Jahren" auch soweit. > Bis dahin behalte ich mir vor, noch zu "unvernünftig" zu sein, um > mich diesen Rahmenbedingungen zu ergeben. Bezüglich Abfinden mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, lass es mich so formulieren: Einerseits: Nein. Ich versuche seit Mitte der 1990er, Menschen von Freier Software, von Linux und dergleichen zu überzeugen, bin immer noch hier, versuche das immer noch. Wäre das anders, wäre mir diese Diskussion wohl mittlerweile schnuppe. ;) Andererseits aber: Wenn ich (sicher sehr subjektiv) die letzten drei, vier Jahre überblicke, dann ist mein Fazit nicht sehr erfreulich: - Im privaten Bereich sehe ich bei Menschen, wie Laptops, PCs oder "kompatible" Geräte (die man einigermaßen leicht mit Freier Software versehen konnte) zunehmend ersetzt werden durch hochproprietäre Mobilgeräte, die sich derzeit in fast keinem Fall "vollständig Frei" nutzen lassen. - Desktop Linux hat es nie in den Mainstream geschafft. Und die Leute, die heute "Desktop Linux" nutzen, nutzen dort drin ganz selbstverständlich einen Browser wie Chrome, in dem sie Google-Apps oder Office 365 verwenden. - Auch nach Snowden bleiben hier alternative, dezentrale Messenger eine Randerscheinung. "Fun fact": Mein letzter aktiver XMPP-Kontakt hat sich von dem Kanal verabschiedet, nachdem sein XMPP-Hoster nach der DSGVO den Server abgeschaltet hat. Die Leute nutzen nach wie vor WhatsApp, und in meiner Wahrnehmung im engeren Umfeld sind es in den letzten Jahren (durch Leute, die dann doch "jetzt auch" Smartphones von ihren Anbietern bekommen haben) in kleinen Schritten eher mehr als weniger geworden. - In den Firmen im Umfeld ist derzeit mindestens jede zweite in einem Projekt, ihre eigene Infrastruktur herunterzufahren und in irgendeine Cloud zu migrieren. Wiederkehrende drei Gründe: Unbeherrschbare Komplexität durch rechtliche Anforderungen, konkret DSGVO; endlich Möglichkeit der Konzentration auf die eigenen Kernaufgaben (vorrangig Software-Entwicklung) unter Auslagerung von Infrastrukturdiensten mit klar definierbarer Schnittstelle; Reduzieren der Kosten für IT-Betrieb vor Ort. Wie gesagt: Vielleicht ist das sehr subjektiv, vielleicht Zufall und nicht verallgemeinerbar. Aus meiner speziellen Brille im Moment sehe ich indes wenig bis keinen Grund zu Zufriedenheit mit der Richtung, in die sich das "Werben" für Freie Software und Freie Infrastruktur entwickelt. Derzeit scheinen die Dinge in nahezu *allen* Bereichen in exakt die andere Richtung zu gehen - und an dem Punkt frage ich mich, ob wir vielleicht überdenken sollten, ob unsere Ideen, Ansätze, Lösungsvorschläge noch geeignet sind, unsere Ziele zu erreichen. Und vielleicht *braucht* es dafür eine Akzeptanz des Status Quo, eine Akzeptanz des Umstands, daß WhatsApp, Google, Apple, ..., like it or not, nun mal massiv die Art und Weise geprägt haben, wie eine sehr breite Masse Technologie wahrnimmt und erwartet - und dass vermutlich nur der Versuch, diese Tools schlechtzureden und auf lernfähige und -willige Nutzer zu hoffen, vielleicht nicht funktioniert...? ;) Viele Grüße, Kristian _______________________________________________ FSFE-de mailing list FSFE-de@lists.fsfe.org https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt. Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct