Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-08 Diskussionsfäden Roland Hummel
Hallo Kristian,

danke für Deine persönlichen Erfahrungen zur Thematik.

On 10/8/19 8:37 AM, Kristian Rink wrote:
> Bei Messengern habe ich das mit XMPP ebenso gemerkt:
> Irgendwann *wollen* die Leute nicht den wackeligen XMPP-Client als
> zusätzliches Tool haben, das alles ein wenig schlechter kann als all
> die anderen Werkzeuge, die sie privat nutzen.

Deswegen sollte es so langsam auch nicht mehr " oder
XMPP" heißen, sondern " oder ". Das muss ja nicht unbedingt Matrix sein, sondern auch
Mattermost oder RocketChat.

Dass freie Lösungen den proprietären Lösungen in der Akzeptanz deswegen
hinterherhinken, weil sie auf bestimmte Bedürfnisse schlecht, gar nicht
oder zu spät eingehen, mag in der Diagnose auf den ersten Blick stimmen,
berücksichtigt aber nicht das Problem, dass unser Wirtschaftssystem
nicht *reagiert*, sondern diese bewusst *herstellt*. Das meinte ich mit
"induzierter Bequemlichkeit": User werden bewusst so erzogen, dass sie
unfreie Lösungen bevorzugen. Ich habe das an mir selbst beobachten
können, weil ich in der Prä-Snowden-Ära (also bis Mitte 2013) selbst
alles genutzt habe, was der Markt an proprietären Lösungen hergab. Der
Wechsel kam einer Selbst-Amputation meiner digitalen Gliedmaßen gleich,
nur um dann festzustellen, dass ich diese eigentlich nie gebraucht habe
(aber ja, ich kann verstehen, warum zu einer derartigen
"Selbst-Amputation" die wenigsten bereit sind - aber auch die Angst vor
derartigen Maßnahmen halte ich für induziert).

> Ich denke, je früher wir von der Idee "selbstbetriebener" Infrastruktur
> als Standardfall wegkommen, desto besser für uns und für "Freie
> digitale Infrastruktur". 

Okay, aber so können wir das Kapitel "Rest-Föderalismus im digitalen
Raum" völlig begraben. Die Lösung für die großen digitalen Fragen heißt
meiner Meinung nach nicht "*weniger* Föderalismus durch freie Software",
sondern "*mehr* Förderalismus durch freie Software" (ja: die auf den
funktionalen Bedarf, sei er gerechtfertigt oder nicht, adäquater
reagiert). Das, was NewVector mit Matrix und Riot auf die Beine gestellt
hat, halte ich diesbezüglich für ein Vorzeigeprojekt (weil: in der Lage,
die "weniger autonomiebewusste" Mehrheit dort abzuholen, wo sie steht,
ohne der "autonomiebewussten" Minderheit irgendetwas aufzunötigen, was
mit ihren Prinzipien nicht vereinbar ist).

> Dieses Modell halte ich schlicht nicht für
> zukunftsfähig bzw. langfristig sinnvoll. Es skaliert nicht - wir
> brauchen nicht Tausende Leute, die im Klein-Klein solchen Kram
> betreiben, sondern lieber viele Leute, die sich gezielt und strategisch
> hinter Lösungen scharen mit dem Ziel, "Freie" Alternativen zu schaffen,
> die nicht nur "Frei", sondern auch von Funktionalität, Bedienbarkeit,
> Administrierbarkeit, ... auf Augenhöhe mit Slack und Co. sind. Ferner:
> Eigenbetrieb gibt der momentane Arbeitsmarkt eigener Erfahrung nach
> nicht her (es fehlen Fachleute, die das auch für KMUs leisten könnten).
> Dafür ist die Nummer mit der Infrastruktur, die man heute auch in
> mittleren Unternehmen schon hat, viel zu groß, wenn man Themen wie
> DSGVO, Compliance, ... anhängt und "richtig" machen will. Dafür ist
> auch das Risiko für alle anderen zu groß, wenn man an DDoS-Angriffe
> durch gekaperte, schlecht gepatchte Systeme denkt, die von
> "irgendjemandem" installiert und mehr oder weniger "betrieben" wurden.

...und genau das meinte ich mit "Datenschutz, der dem Recht gerecht
wird, aber nicht den Menschen": Unser Rechtssystem scheint mir faktisch
die Interessen derer zu schützen, die sich eine Armada von Anwält/innen
und Fachkräfte leisten können. Bei allen anderen verursachen die
rechtlichen Auflagen puren Angstschweiß. Ich sehe darin keinen Zufall.

Zum Thema "dies das auch für KMU leisten können" und konkret auf unser
Thema bezogen: https://www.modular.im/services/matrix-hosting - sind das
Preise, die KMU bereit wären, zu zahlen? Noch konkreter: Hätte die FSFE
das Geld, für 1000+ User das Paket für 1498,50$/Monat zu zahlen?

> Ich glaube, wir brauchen vielmehr einen robusten, datenschutzkonformen,
> freien europäischen SaaS-Markt, der mit Ideen Freier Software vereinbar
> ist und Nutzern, Firmen *trotzdem* die Möglichkeit gibt, dieses Stück
> IT als spezialisierte Leistung genau so einzukaufen, wie man sich ein
> Auto kauft (statt es selbst aus Einzelteilen zu bauen) oder sein Mittag
> in einem Restaurant nimmt (statt sich die Tiere selbst zu züchten und
> zu schlachten bzw. das Gemüse selbst anzubauen und zu ernten).

Das halte ich wie bereits angedeutet nur auf den ersten Blick für einen
zukunftstauglichen Weg. Um Deinen Vergleich mit Nahrungsmittelproduktion
aufzugreifen, vergleiche mal die Aussagen von denen, die noch wissen wie
man sich selbst versorgen könnte, mit meiner These zur fehlenden
"Rechtschaffenheit" unseres Rechtssystems, bspw. anhand des (ca.
einminütigen) Gesprächs am Esstisch einer Bäuerin in "The Uncertainty
Has Settled": https://invidio.us/watch?v=KbGBcL3x_8s (9:20-10:04).

Gruß
Roland


0xBE135D

Re: FSFE-Matrix-Server

2019-10-08 Diskussionsfäden Roland Hummel
Hallo Michael,

On 10/8/19 8:59 AM, Michael Weimann wrote:
> Was ich kritisch sehe ist Folgendes: Wenn wir bei der FSFE XMPP, Mail, das 
> Forum und Matrix anbieten verteilen wir die 15 Leute die das Thema heute noch 
> interessiert in ihre eigenen Silos. Dann hat bald jeder einen eigenen Dienst 
> um mit sich selber zu reden :) Interessant wäre mal sich die Matrix Bridges 
> anzusehen. Da gibt es ja die Möglichkeit verschiedene Quellen anzudocken.

persönlich (weil als Betreiber eines eigenen Matrix-Heimservers) halte
ich den Aufwand, Bridges zu unterhalten für zu hoch, vor allem für die
Lösungen, die zu WA bridgen würden, denn man braucht dafür meines
Wissens (bez. Telegram, WA) dann doch einen Account in diesen Netzwerken
(korrigiert mich gerne). Meine einzige bisher erlebte "fire and
forget-Bridgeeinrichtungerfahrung" war die von #yacy:matrix.org zu
https://gitter.im/yacy/yacy_search_server. Die von #ctbot:matrix.org zu
Slack zickte immer mal wieder herum. Weitere habe ich ab dem Punkt
aufgegeben, ab dem es hieß, dass ich in irgendeiner Weise auf der
Gegenseite einen Account einrichten müsste.

Meiner persönlichen Erfahrung nach scheint es hier nur eine Lösung zu
geben, die leider radikaler nicht sein könnte, aber die einzige ist, die
in meinem Freundeskreis nachhaltig funtkionierte: "Liebe
Familie/Freund/etc, ab Jahreswechsel könnt ihr mich nur noch über
Dienste erreichen, die frei und föderal sind: ,
,  ... - wer mit mir über eines der genannten
Verfahren in Kontakt bleiben möchte, kann mich gerne kontaktieren, ich
helfe gerne bei der Einrichtung."
Bei "du willst ja nicht mehr mit uns reden"-Reaktionen, weil ich gewisse
Dinge evtl. so nicht mehr mitbekomme, die ich nach Meinung meines
Umfelds hätte mitbekommen müssen, antworte ich provokant mit "ja, weil
ich nicht in einem digitalen Nord-Korea leben möchte". Das mag an der
Grenze des guten Geschmacks liegen, aber wir sind mittlerweile an dem
Punkt angekommen, bei dem der digitale Konformitätsdruck für mich
unerträglich geworden ist (denn ich muss Einladungen zu privaten
Veranstaltungen mittlerweile davon abhängig machen, ob es dort
"Familienmitglieder" gibt, die auf den Namen "Alexa" hören).

Gruß
Roland


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Re: FSFE-Matrix-Server

2019-10-08 Diskussionsfäden Stefan Kropp
Leider ist meine andere Mail wegen falscher Absender Adresse noch
unterwegs bzw. irgendwo hängen geblieben.

Am Dienstag, den 08.10.2019 um 08:59:17 +0200 schrieb m...@michael-weimann.eu:
> ich sehe den Punkt ähnlich. Es ist zwar schön, dass sich manche
> ausschließlich auf E-Mail / XMPP berufen. Aber beide Dienste sind in
> Sachen Einrichtung und Bedienung "grottenschlecht" im Vergleich zu
> beispielsweise dem Facebook angehörigen Quasi-Monopol Messenger.

Meiner Meinung nach ist dies nicht korrekt. E-Mail haben sicherlich
viele eingerichtet, da jeder E-Mail braucht. Es funktioniert auch eigentlich
sehr gut. Threads, Subject und Quote sind wichtig für eine
strukturierte Kommunikation und meiner Meinung nach nicht nur auf
Mailinglisten.

Ich persönlich nutze lieber E-Mail und Messenger (XMPP) eigentlich nur als
Ergänzung oder eben als schnelle Kurznachricht.

Ich kenne mich jetzt nicht so gut mit Messenger aus, versuche mich
aber in XMPP einzuarbeiten. Matrix kenne ich gar nicht. Jedoch finde
ich die Unterschiede der Protokolle sehr interessant. Ich halte Matrix
für eine Alternative als ein Protokoll für Soziale Netzwerke, aber
*nicht* als Instant Messaging Protokoll.

Wenn ein Protokoll die "E-Mail" ersetzen soll (was bei mir im
Bekanntenkreis schon lange der Fall ist), dann muss es ein seriöses
Protokoll sein, wie auch immer es heißt (Whatsapp, XMPP, Matrix).

(Für mich ist es aber im Moment XMPP)

> Was ich nicht verstehe ich die krasse Polarisierung durch das Thema
> Matrix. Die Jungs bieten eine freie Lösung für das
> "Kommunikationsproblem" an. Es gibt Punkte die sehen mache aus der
> Freien Software Community kritisch an:
> 
> Ein Beispiel ist das Ablegen des Schlüssels auf dem Server. UM
> GOTTES WILLEN! Aber: Das ist optional. Die 95 % Monopol Messenger
> Gewöhnten wollen genau das. Toll ist doch, dass auch die 5 % bedient
> werden und ihren Schlüssel selber wegspeichern und auf ihre Geräte
> übertragen können.

Um welche Schlüssel geht es? Soweit ich es verstanden habe, gibt es ja
mehrere Schlüssel für unterschiedliche Verwendungszwecke, oder? Ist
jedoch ein Schlüssel für eine Gruppenkommunikation auf dem Server in
der Gruppe hinterlegt, dann ist es keine E2E Verschlüsselung sonder
eine P2P Verschlüsselung, oder sehe ich das falsch? Ich hab den Link
nicht mehr, aber soweit ich es in Erinnerung habe, wird die Nachricht
mit einem Gruppenschlüssel verschlüsselt und nicht mit dem einer
Person. Wie das alles im Browser funktioniert habe ich auch noch nicht
verstanden und halte es deswegen erst mal als fragwürdig.

> Ja, es gab einen Hack der Matrix.org Infrastruktur. Infrastrukturen
> werden halt irgendwann gehackt. Hier könnte man den Dienst auch
> einfach selber hosten. Alles kein Problem.

Betreibt man einen Server selber, kann dieser auch gehackt werden. Das
hat damit nichts zu tun. Die Frage ist, welche Informationen hat der
Hacker, wenn er es geschafft hat. Hierbei ist folgendes noch zu
beachten: 

"We store and distribute the messages and files you share using the
Service (and across the wider Matrix ecosystem via federation) as
described by the Matrix protocol and according to the access rules
configured within the system. Storing and sharing this content is the
reason the Service exists."

Somit hat meiner Meinung nach die Sache bei Matrix eine ganz anderes
Ausmaß als bei XMPP.

Bei XMPP suche ich den Betreiber aus oder lass einen eigenen Server
laufen. Die Upload erfolgt nur aus dem eigenen Server und der Link
wird dann den Kommunikationspartner zugeschickt. Dies kann auch per
OMEMO erfolgen, bei dem die Verschlüsselung pro Device ist. Ich habe
da irgendwie einfach ein besseres Gefühl als bei der "cross the wider
Matrix ecosystem via federation".

> Ansonsten funktioniert das wir am Schnürchen. Es ist modern,
> dezentrale, sehr flexibel und hat alle Features für den
> Ottonormalverbraucher.

Das ist genau der Punkt. Für ein soziales Netzwerk alles gut, jedoch
nicht für ein Instant Messaging Protokoll. Es geht hier um den Schutz
der Privatsphäre und nicht um "Features für den
Ottonormalverbraucher". Ich würde dies gerne versuchen zu trennen.
Denn der Ottonormalverbraucher nutzt leider Whatsapp und ist
glücklich. Leider ist dies wohl so und meiner Meinung nach nichts
akzeptabel.

Nebenbei bestehen wohl noch ganz andere Probleme:

"This means that your username will continue to be publicly associated
with rooms in which you have participated, even after we have
processed your request to be forgotten. We are actively working on a
solution to work around this restriction and allow you to be fully
forgotten while maintaining a high quality experience for other users.
If this is not acceptable to you, please do not use the Service."

Gute Idee, dann lassen wir es besser erst einmal! :-)

Aus meiner Sicht hat die Verwendung von Verschlüsselungen mit "Perfect
Forward Secrecy" auch noch ein paar Nachteile. Weshalb ich immer noch
für OpenPGP bin.

Allerdings, wie oben schon angesprochen, kenne ich mich

Re: FSFE-Matrix-Server

2019-10-08 Diskussionsfäden Roland Hummel
Lieber Stefan,

On 10/8/19 10:25 AM, Stefan Kropp wrote:
> Meiner Meinung nach ist dies nicht korrekt. E-Mail haben sicherlich
> viele eingerichtet, da jeder E-Mail braucht. Es funktioniert auch eigentlich
> sehr gut. Threads, Subject und Quote sind wichtig für eine
> strukturierte Kommunikation und meiner Meinung nach nicht nur auf
> Mailinglisten.

ja, würde ich auch so sehen. Bei Instant Messaging geht das dann in die
Richtung, ob man in "vernünftigen" Blöcken antwortet
oder
aber so
wie einem die Enter-Taste gerade
so passt
.

> Ich kenne mich jetzt nicht so gut mit Messenger aus, versuche mich
> aber in XMPP einzuarbeiten. Matrix kenne ich gar nicht. Jedoch finde
> ich die Unterschiede der Protokolle sehr interessant. Ich halte Matrix
> für eine Alternative als ein Protokoll für Soziale Netzwerke, aber
> *nicht* als Instant Messaging Protokoll.

Uh, dann besser erstmal ausprobieren. Verwechselt Du hier *Ma*trix
eventuell mit *Ma*stodon? ;)
Ich will nicht ausschließen, dass der Einsatzzweck von Matrix in der
Roadmap der Entwickler langfristig mehr sein soll als ein Instant
Messaging-Protokoll, aber aktuell ist es in der primären Verwendung klar
ein Instant Messaging-Protokoll.

> Wenn ein Protokoll die "E-Mail" ersetzen soll (was bei mir im
> Bekanntenkreis schon lange der Fall ist), dann muss es ein seriöses
> Protokoll sein, wie auch immer es heißt (Whatsapp, XMPP, Matrix).

Was genau ist für Dich "seriös"?

> Um welche Schlüssel geht es? Soweit ich es verstanden habe, gibt es ja
> mehrere Schlüssel für unterschiedliche Verwendungszwecke, oder? Ist
> jedoch ein Schlüssel für eine Gruppenkommunikation auf dem Server in
> der Gruppe hinterlegt, dann ist es keine E2E Verschlüsselung sonder
> eine P2P Verschlüsselung, oder sehe ich das falsch? Ich hab den Link
> nicht mehr, aber soweit ich es in Erinnerung habe, wird die Nachricht
> mit einem Gruppenschlüssel verschlüsselt und nicht mit dem einer
> Person. Wie das alles im Browser funktioniert habe ich auch noch nicht
> verstanden und halte es deswegen erst mal als fragwürdig.

Ohne mich in der Tiefe damit auseinandergesetzt zu haben (bin eher ein
"Praktiker"): Es geht bei Matrix bzw. Riot tatsächlich um e2e-Schlüssel
für eine echte e2e-Verschlüsslung. Allein schon aufgrund der Tatsache,
dass der Matrix-Referenzclient "Riot" beim Ausloggen explizit dazu
auffordert, die privaten Schlüssel zu exportieren, spricht dafür. Der
Umstand, dass bei mehreren Usern in einem Raum (ganz wichtig: Matrix
unterscheidet technisch nicht zwischen 2er- und Gruppen-Chats - alles
findet in Räumen statt, egal ob da niemand, nur ein User oder mehrere
anwesend sind) bei aktivierter e2e auch bei jedem neu angemeldeten
Device eines Users (und ein Device kann eben auch eine Browser-Anmeldung
sein) eine entsprechende Warnung aufploppt, spricht gegen Deine Vermutung.
Das Speichern von Keys auf dem jeweiligen Matrix-Server betrifft meines
Wissens nach die Backup-Funktion der eigenen privaten Keys und ohne es
expizit nachgeprüft zu haben, ist dieses Backup verschlüsselt (denn beim
Aktivieren dieser Funktion muss man ein Passwort festlegen und es wird
explizit dazu aufgefordert, dass dies möglichst ein anderes sein soll
als das für die Matrix-ID).

> "We store and distribute the messages and files you share using the
> Service (and across the wider Matrix ecosystem via federation) as
> described by the Matrix protocol and according to the access rules
> configured within the system. Storing and sharing this content is the
> reason the Service exists."
> 
> Somit hat meiner Meinung nach die Sache bei Matrix eine ganz anderes
> Ausmaß als bei XMPP.

Korrekt - und das macht Matrix um Vergleich zu XMPP auch so fantastisch
ausfallsicher. Bei XMPP hängt die Funktionalität eines MUCs davon ab, ob
der hostende Server verfügbar ist. Bei Matrix hingegen ist ein Raum so
lange erreichbar und benutzbar wie min. ein Server eines im Raum
anwesenden Users erreichbar ist. Ich habe bspw. eine deutschsprachige
"Matrix-Admingruppe" gegründet: #synapse_de:matrix.org - diese
Raum-Adresse ist lediglich ein Alias auf eine eine, die in etwa
"#synapse_de:my.ddns.net" heißt und die ich hier nicht angebe, weil ich
nicht sicher bin, ob ich diese DynDNS-Adresse langfristig behalte, ist
aber wie gesagt auch egal, denn der Raum hat viele User, die eigene
Matrix-Server betreiben und die allesamt entsprechende Alias-Adressen
zur Hauptadresse hinzugefügt haben, sodass der Raum über eine Vielzahl
von Adressen erreichbar ist - und (und das ist der entscheidende
Unterschied zu XMPP) dies auch dann ist, wenn mein kleiner Heim-Server
down ist (Stromausfall, wöchentliches Wartungsfenster), denn Matrix, und
darauf spielt die von Dir zitierte AGB(?)-Stelle an, spiegelt Inhalte
über alle beteiligten Server. Das mag für manche Einsatzzwecke ein
Nachteil sein, ich sehe darin eine immense Stärke des Protokolls, denn
es macht Gruppenkommunikation unabhängig von der Erreichbarkeit
zentraler Instanzen und damit  föderaler.

> Bei XMPP s

Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-08 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Roland;

Am Dienstag, den 08.10.2019, 09:56 +0200 schrieb Roland Hummel:
> 
> Deswegen sollte es so langsam auch nicht mehr "
> oder XMPP" heißen, sondern " oder  die nicht XMPP ist>". Das muss ja nicht unbedingt Matrix sein,
> sondern auch Mattermost oder RocketChat.
> 

Ok, dann haben wir dort Konsens. Ich fand XMPP immer gut, aber dort
fehlt(e) seit jeher der Fokus darauf, ein nutzbares "Produkt" zu
liefern. Das merkt man mindestens den Clients für faktisch alle
Plattformen außer Android und Linux (wenn einem Dino stabil genug ist)
an.

 
> Dass freie Lösungen den proprietären Lösungen in der Akzeptanz
> deswegen hinterherhinken, weil sie auf bestimmte Bedürfnisse
> schlecht, gar nicht oder zu spät eingehen, mag in der Diagnose auf
> den ersten Blick stimmen, berücksichtigt aber nicht das Problem, dass
> unser Wirtschaftssystem nicht *reagiert*, sondern diese bewusst
> *herstellt*. Das meinte ich mit "induzierter Bequemlichkeit": User
> werden bewusst so erzogen, dass sie unfreie Lösungen bevorzugen. 

Obgleich Du ein Stück weit recht hast, lass es mich kurz bewußt hart
formulieren: Genau diesen Punkt nutzen wir, wie mir scheint, auch gern
als Ausrede, um uns mit diesem Thema nicht auseinandersetzen zu müssen,
mutmaßlich wohl auch, weil es die Aufgaben komplizierter werden läßt an
Stellen, an denen sie keinen Spaß mehr machen. Es ist leicht, auf der
grünen Wiese einen neuen Client mit der aktuell gerade als "hip"
einzustufenden Technologie hochzuziehen. Es ist unendlich viel
schwerer, so ein Werkzeug mittelfristig / strategisch zu einem Tool
werden zu lassen, das im Blick auf Usability, Stabilität, Verfügbarkeit
so poliert ist, daß es auch jemand mit wenig bis keiner Computer- oder
Technologie-Erfahrung damit arbeiten kann oder will.

Gegenschluß: Ich habe Leute in der Verwandtschaft (Generation 70+), die
mit Computern nie ihren Frieden hatten, die Dinger allenfalls
dienstlich auf dem Schreibtisch genutzt und dort eher geächtet hatten.
Diese Leute haben jetzt Smartphones zu Hause, auf denen sie
eigenständig komplett ohne die Hilfe der "Wissenden" in der Familie
WhatsApp, Facebook, Instagram installiert und aktiviert bekommen, sich
mit Leuten digital vernetzen, die sie vorher nie und nimmer erreicht
hätten. Das hat nix mit induzierter Bequemlichkeit unfreier Lösungen zu
tun. Das ist eine digitale Selbstständigkeit, die sie mit keiner(!)
freien, dezentralen Lösung jemals zu erreichen imstande wären. Mit XMPP
oder auch Matrix hätten sie (a) immer die Abhängigkeit von einem
Experten, der ihnen das einrichtet und pflegt - was nervig ist, wenn
der Client im Urlaub "kaputtgeht" und der Neffe, der das heilen kann,
500km weit weg ist, und (b) dann immer einen deutlich eingeschränkten
Kontaktkreis, weil aus ihrer Freundes- und Kontaktliste diese Dienste
niemand nutzt. So lang nicht mindestens letzteres Problem befriedigend
gelöst ist, ist hier eine extrem breite Zielgruppe, für die Anwendungen
außerhalb der Walled Gardens praktisch nutzlos sind.


> Ich habe das an mir selbst beobachten
> können, weil ich in der Prä-Snowden-Ära (also bis Mitte 2013) selbst
> alles genutzt habe, was der Markt an proprietären Lösungen hergab.
> Der Wechsel kam einer Selbst-Amputation meiner digitalen Gliedmaßen
> gleich, nur um dann festzustellen, dass ich diese eigentlich nie
> gebraucht habe[...]

Das ist eine (leider) sehr individuelle Beobachtung, die ich mir hier
manchmal wünschen würde, aber nie habe. So eklig es ist: Die
überwiegende Mehrzahl der Menschen in meinem Umfeld nutzt WhatsApp.
Punkt, Ende. Ein paar Enthusiasten verwenden Signal, einige Threema,
einige Wire. Ansonsten hat WhatsApp hier SMS ersetzt. E-Mail war in
meinem Umfeld ohnehin nie ein relevantes Medium und eher mit Brief
gleichgesetzt. Deswegen hb ich hier leider eine andere Sicht.


> 
> Okay, aber so können wir das Kapitel "Rest-Föderalismus im digitalen
> Raum" völlig begraben. Die Lösung für die großen digitalen Fragen
> heißt meiner Meinung nach nicht "*weniger* Föderalismus durch freie
> Software", sondern "*mehr* Förderalismus durch freie Software" (ja:
> die auf den funktionalen Bedarf, sei er gerechtfertigt oder nicht,
> adäquater reagiert). 
>

Ich sehe das Problem nicht, ehrlich gesagt. "Software" und "verfügbarer
Service" sind zwei paar Schuhe, und der robuste 24x7-Betrieb eines
Stücks Software ist eine gänzlich andere Herausforderung als das
"Ausprogrammieren" von Code. Warum sollte man das nicht getrennt
betrachten? Ich *will* FLOSS und offene Standards. Ich *will* auch
Förderation, weil ich eigentlich keine "walled gardens" möchte. Aber
ich *will* auch eine Möglichkeit, mir so eine Lösung einkaufen zu
können, ohne das Wissen, die Prozesse, die Ressourcen (Leute, Hardware,
...) im Haus vorhalten zu müssen. Aus meiner Sicht ist es ein
Kardinalfehler, daß wir als Alternative zu Cloud-Diensten nur
"selbstbetriebene Freie Software" sehen, uns scheinbar aber die
Fantasie zu "ethisch und professionell gehosteter Freier Software"
fehlt. 

Viele 

Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-08 Diskussionsfäden Benjamin Hagemann
Hallo,

ein Punkt vorab: Ich sehe hier Paralleln zur Freifunk Community.
War man Anfang der 2000er noch dabei, dass man Wissen vermitteln wollte
und jeder, der am Netz teilnimmt, seine Hardware selbst verantwortet -
so ist man heute bei Netzen mit einigen hundert Nodes, die zentral
von je teils weniger als 10 Leuten pro Community gesteuert werden.
Ich persönliche hänge noch an der ursprünglichen Idee...


On Tue, Oct 08, 2019 at 02:11:11PM +0200, Kristian Rink wrote:
 
> Gegenschluß: Ich habe Leute in der Verwandtschaft (Generation 70+), die
> mit Computern nie ihren Frieden hatten, die Dinger allenfalls
> dienstlich auf dem Schreibtisch genutzt und dort eher geächtet hatten.
> Diese Leute haben jetzt Smartphones zu Hause, auf denen sie
> eigenständig komplett ohne die Hilfe der "Wissenden" in der Familie
> WhatsApp, Facebook, Instagram installiert und aktiviert bekommen, sich
> mit Leuten digital vernetzen, die sie vorher nie und nimmer erreicht
> hätten. Das hat nix mit induzierter Bequemlichkeit unfreier Lösungen zu
> tun. Das ist eine digitale Selbstständigkeit, die sie mit keiner(!)
> freien, dezentralen Lösung jemals zu erreichen imstande wären. Mit XMPP

und an der Stelle triggert es bei mir ("digitale Selbständigkeit").
Ich Habe das Thema letztens auch mit einer Freundin gehabt:
Ihre Tante kam zu ihr und bat um die Ersteinrichtung eines Smartphones
mit WhatsApp Installation. Die Leute wollen es so - okay.
Sofern man Ihnen erklärt, was mit Ihren Daten passiert und dass sie
Alternativen haben - kein Problem.
Ich weiß, an der Stelle werde ich manchmal etwas emotional getrieben.
Kristian, das ist wirklich ganz Allgemein bezogen!
Mir geht es da um die Mündigkeit, diese Wahl zu treffen.

Wenn jemand sagt, er/sie möchte den NFC Chip der GiroCard aktiv haben,
gern - rede ich nicht rein.
Die Banken sagen den Kunden aber nicht, dass man den NFC Chip zumeist
einfach deaktivieren lassen kann.
Die Bürger müssen wissen, a) dass sie die Wahl haben und b) wozwischen sie 
wählen.
Die Entscheidung muss beim Bürger - nicht beim Unternehmen liegen.

Was ist es für eine Selbständigkeit, wenn die Verwandten die ältere
Generation ohne Information über die Verwendung ihrer Daten den
amerikanischen Unternehmen Google, Apple, Facebook und Co überlässt? 
("digitale Aufklärung")

-- 
Grüße, Benny
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

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Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-08 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Benjamin, *;

danke für Deine Gedanken.

Am Dienstag, den 08.10.2019, 14:41 +0200 schrieb Benjamin Hagemann:
> 
> ein Punkt vorab: Ich sehe hier Paralleln zur Freifunk Community.
> War man Anfang der 2000er noch dabei, dass man Wissen vermitteln
> wollte und jeder, der am Netz teilnimmt, seine Hardware selbst
> verantwortet so ist man heute bei Netzen mit einigen hundert Nodes,
> die zentral von je teils weniger als 10 Leuten pro Community
> gesteuert werden. Ich persönliche hänge noch an der ursprünglichen
> Idee...
> 

Verstehe ich. Ich bin irgendwann mit Linux "sozialisiert" worden und
habe nie wirklich davon abgelassen. Aber an vielen Stellen war das
neben der Technologie letztlich Kommunikation: Es gab (und gibt)
Situationen, Anwendungsfälle, Anforderungen, in denen und für die das
nicht funktioniert. Ebenso Freifunk et al: Ja, die Idee ist gut. Aber
ich wage die pessimistische Prognose, daß die Menge an Menschen, die
dieser Tage überhaupt *bereit* ist, sich gedanklich und inhaltlich mit
solchen Themen zu beschäftigen, bestenfalls kleiner zweistelliger
Prozentsatz derer ist, die digitale Werkzeuge insgesamt verwenden. Lass
mich gern eines Besseren belehren. ;)

>
> Was ist es für eine Selbständigkeit, wenn die Verwandten die ältere
> Generation ohne Information über die Verwendung ihrer Daten den
> amerikanischen Unternehmen Google, Apple, Facebook und Co überlässt? 
> ("digitale Aufklärung")
>

Natürlich. Absolut kein Widerspruch. Auch hier (siehe oben) neige ich
immer noch dazu, Menschen "aufklären" und "überzeugen" zu wollen. 

Aber das ist der Punkt, weswegen ich an Stellen wie dieser hier solche
Themen diskutiere, weswegen ich gerade auch bei Freien
Kommunikationswerkzeugen immer wieder so angefressen bin, daß gewisse
Dinge eben nach wie vor einfach nicht gehen, siehe XMPP-Clients: Wenn
ich Nutzer aufkläre, möchte ich ihnen auch eine Alternative bieten
können. Für meine Verwandten in der Generation 60+ kann ich das nicht.
Dort kann ich ihnen die proprietäre Anwendung lassen, die sie haben und
über die sie all ihre Kontakte erreichen. Oder ich kann sie so lang
aufklären / überzeugen / verängstigen, bis sie sich zu XMPP oder Matrix
durchringen lassen und eigentlich auch kein Smartphone mehr brauchen,
weil sie die Leute, mit denen sie kommunizieren wollen, auf diesen
Kanälen eben nicht mehr im Zugriff haben. Und: Das funktioniert auch
nur, wenn man gefragt wird oder überhaupt eine Chance bekommt, solche
Dinge zu diskutieren. Das steht eigentlich so nicht mehr. Spätestens
wenn die fraglichen Herrschaften von ihrem Provider ein Smartphone
angeboten bekommen, das wahrnehmen und dort WhatsApp vorinstalliert
ist, ist dieser Zug weitestgehend abgefahren, aus eigenem Erleben.
Früher(TM), bei Laptop-Kauf (wo das Thema war), wurden in der Familie
jene, die sich halbwegs mit der Materie auskannten, gefragt. Bei
Smartphones passiert das gar nicht mehr. Das erschwert die Dinge
zusätzlich. An diesem Punkt *ist* man in der Wahrnehmung schnell der,
der den Menschen Werkzeuge, die sie bedienen können, wegnehmen und
durch kompliziertere, schwerer (nicht) zu beherrschende Tools ersetzen
will. IMHO können wir das nur wirklich lösen durch nutzer- und
menschenzentrierte FLOSS-Anwendungen und -Dienste, die WhatsApp und Co.
mindestens ebenbürtig sind... ;)

Viele Grüße,
Kristian

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Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-08 Diskussionsfäden Christian Imhorst
Hi,

Am 8. Oktober 2019 15:00:41 MESZ schrieb Kristian Rink :
>Wenn ich Nutzer aufkläre, möchte ich ihnen auch eine Alternative bieten
>können. Für meine Verwandten in der Generation 60+ kann ich das nicht.
>Dort kann ich ihnen die proprietäre Anwendung lassen, die sie haben und
>über die sie all ihre Kontakte erreichen. 

Die wenigen Alternativen, die ich sehe, sind Signal und Telegram. Wer WhatsApp 
kann, kommt auch mit den beiden Messengern zurecht. Und die Nutzer*innen müssen 
daraus ja kein entweder/oder machen. Sie können einen anderen Messenger ja 
neben WhatsApp nutzen. 

Genauso kann man auch F-Droid neben den PlayStore installieren, um zu zeigen, 
dass es super  Alternativen gibt und nicht alles vorgegeben ist.

Blöd wird's wieder bei Nicht-Cloud Messengern wie Signal, wo aus dem Backup und 
Restore wieder Raketentechnik wird, wenn Nutzer*innen ihre Konversationen auf 
ein anderes Telefon umziehen wollen.

Viele Grüße
Christian
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Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-08 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hi;

Am Dienstag, den 08.10.2019, 19:46 +0200 schrieb Christian Imhorst:
> 
> Die wenigen Alternativen, die ich sehe, sind Signal und Telegram. Wer
> WhatsApp kann, kommt auch mit den beiden Messengern zurecht. Und die
> Nutzer*innen müssen daraus ja kein entweder/oder machen. Sie können
> einen anderen Messenger ja neben WhatsApp nutzen. 
> 

Ich bin bei Alternativen immer hin- und hergerissen zwischen Signal,
Telegram, Threema und Wire. Mir fällt es für mich selbst noch schwer,
eine Priorisierung zu finden zwischen "Freier Software" und
"nachhaltiges Geschäftsmodell". Konkret bei Telegram oder Signal fehlt
mir eine klare Idee, wer die Infrastruktur und Entwicklung finanziert,
insofern würde ich prinzipiell lieber sowas wie Threema unterstützen
(der als Messenger auch ohne Google funktioniert, aber nicht FLOSS
ist). Ansonsten sieht es bei mir so aus, daß ...

- ... im sehr engen Freundeskreis (10..20 Leute) Threema, Telegram,
Signal und SMSMe (oder wie auch immer das Ding jetzt heißt) zum Einsatz
kommen, bei *allen* bis auf vier immer parallel als "zweiter Messenger"
zu WhatsApp,

- im größeren Kontaktkreis (ca. 200 Leute) neben WhatsApp nichts eine
nennenswerte Rolle spielt. 

Auf den Smartphones erlebe ich oft, daß Menschen keinen zweiten
Messenger installiert haben wollen, mangels Einsicht in die
Notwendigkeit, für eine App, mit der sie nur zu ein oder zwei Personen
Kontakt haben, Speicherplatz und Akku-Lebenszeit zu investieren und
sich dafür den Umstand einzuhandeln, daß Kommunikationsverläufe über
mehrere Apps verteilt sind, mehrere Apps Updates brauchen, beim Umzug
von einem Gerät auf ein anderes mehrere Apps "transportiert" werden
müssen usw. usf. ... Das alles ist nicht "kritisch", aber oftmals
augenscheinlich lästig genug, um den Aufwand nicht zu lohnen. 

Dagegen anzuargumentieren ist schwer. Und daneben, wenn wir über
Förderation sprechen, möchte ich diese Diskussion eigentlich nicht
führen. Interoperabilität und Förderation zwischen den Messengern
scheint mir (trotz aller Nebeneffekte) oft eine deutlich
erstrebenswertere Idee...


> Genauso kann man auch F-Droid neben den PlayStore installieren, um zu
> zeigen, dass es super  Alternativen gibt und nicht alles vorgegeben
> ist.

Ja. Installiere ich auch immer, auf meinen Geräten sowieso, bei
Freunden auch gelegentlich. Mindestens zwei "Probleme" hab ich damit,
sowohl in Kommunikation als auch selbst dann und wann:

- Installation aus "nicht vertrauenswürdigen" Quellen ist schwierig. Am
Ende des Tages ist die Sicherheit auf der Android-Plattform an der
Prüfung durch den Play-Store festgemacht. Ob das durch Installation von
third-party-Komponenten von "irgendwoher" besser wird oder schlechter,
ist für Endnutzer schwer einzuschätzen. Warum ist f-droid
vertrauenswürdiger als Google? Wie kann jemand ohne technischen
Background das beurteilen?

- f-droid macht keine Unterschiede zwischen "Libre" und "gratis". Es
gibt keine Möglichkeit, gute FLOSS-Anwendungen dort zu finanzieren. Das
ist mehr mein persönliches Problem, dort wünschte ich mir mehr als nur
einmal ein "pay-what-you-want" - Modell, bei dem man für Downloads
zahlt, oder irgendetwas in der Art. Die Kommunikation, daß einerseits
"Libre > gratis", aber anderseits "Libre" in der Praxis letztlich
irgendwie "gratis" nach sich zieht oder erzwingt, macht es
problematisch. "Gratis" in den großen App-Stores ist aus meiner
Wahrnehmung vorrangige Ursache für den ganzen Tracking- und
Datensammel-Unfug.



> Blöd wird's wieder bei Nicht-Cloud Messengern wie Signal, wo aus dem
> Backup und Restore wieder Raketentechnik wird, wenn Nutzer*innen ihre
> Konversationen auf ein anderes Telefon umziehen wollen.

Oh ja. In diese Falle ist einer meiner Kontakte mit Signal auch
getappt: Telefon migrieren lassen (im Laden, in dem er das neue Gerät
gekauft hat); altes Gerät gleich vor Ort "leeren" lassen, um es in
Zahlung zu geben. Unschön. Das sind so viele kleine Bausteine, die
solche Projekte extrem erschweren...

Viele Grüße,
Kristian

___
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Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-08 Diskussionsfäden Roland Hummel
Hallo Kristian,

On 10/8/19 2:11 PM, Kristian Rink wrote:

>> Dass freie Lösungen den proprietären Lösungen in der Akzeptanz
>> deswegen hinterherhinken, weil sie auf bestimmte Bedürfnisse
>> schlecht, gar nicht oder zu spät eingehen, mag in der Diagnose auf
>> den ersten Blick stimmen, berücksichtigt aber nicht das Problem, dass
>> unser Wirtschaftssystem nicht *reagiert*, sondern diese bewusst
>> *herstellt*. Das meinte ich mit "induzierter Bequemlichkeit": User
>> werden bewusst so erzogen, dass sie unfreie Lösungen bevorzugen. 

(sry, es fehlte btw ein Wort im Satz: "...dass unser Wirtschaftssystem
nicht *auf Bedarfe* reagiert, sondern diese bewusst herstellt...")

> Obgleich Du ein Stück weit recht hast, lass es mich kurz bewußt hart
> formulieren: Genau diesen Punkt nutzen wir, wie mir scheint, auch gern
> als Ausrede, um uns mit diesem Thema nicht auseinandersetzen zu müssen,
> mutmaßlich wohl auch, weil es die Aufgaben komplizierter werden läßt an
> Stellen, an denen sie keinen Spaß mehr machen. Es ist leicht, auf der
> grünen Wiese einen neuen Client mit der aktuell gerade als "hip"
> einzustufenden Technologie hochzuziehen. Es ist unendlich viel
> schwerer, so ein Werkzeug mittelfristig / strategisch zu einem Tool
> werden zu lassen, das im Blick auf Usability, Stabilität, Verfügbarkeit
> so poliert ist, daß es auch jemand mit wenig bis keiner Computer- oder
> Technologie-Erfahrung damit arbeiten kann oder will.

Da stimme ich vollkommen zu, ist aber auch nicht der Punkt, den ich
meinte. Der von Dir angesprochene Punkt hat eher etwas damit zu tun, ob
eine Dev-Community der Admin-Community genügend Doku und Tools
bereitstellt sowie mit ihr ausreichend gut kommuniziert, damit Admins
die Infrastrukturen möglichst ohne große Hürden betreiben können.

> Gegenschluß: Ich habe Leute in der Verwandtschaft (Generation 70+), die
> mit Computern nie ihren Frieden hatten, die Dinger allenfalls
> dienstlich auf dem Schreibtisch genutzt und dort eher geächtet hatten.
> Diese Leute haben jetzt Smartphones zu Hause, auf denen sie
> eigenständig komplett ohne die Hilfe der "Wissenden" in der Familie
> WhatsApp, Facebook, Instagram installiert und aktiviert bekommen, sich
> mit Leuten digital vernetzen, die sie vorher nie und nimmer erreicht
> hätten. Das hat nix mit induzierter Bequemlichkeit unfreier Lösungen zu
> tun. Das ist eine digitale Selbstständigkeit, die sie mit keiner(!)
> freien, dezentralen Lösung jemals zu erreichen imstande wären. Mit XMPP
> oder auch Matrix hätten sie (a) immer die Abhängigkeit von einem
> Experten, der ihnen das einrichtet und pflegt - was nervig ist, wenn
> der Client im Urlaub "kaputtgeht" und der Neffe, der das heilen kann,
> 500km weit weg ist, und (b) dann immer einen deutlich eingeschränkten
> Kontaktkreis, weil aus ihrer Freundes- und Kontaktliste diese Dienste
> niemand nutzt. So lang nicht mindestens letzteres Problem befriedigend
> gelöst ist, ist hier eine extrem breite Zielgruppe, für die Anwendungen
> außerhalb der Walled Gardens praktisch nutzlos sind.

Gegenargument: Nenn mir einen, der, als E-Mail massentauglich wurde (und
diverse Provider für ihr Angebot sogar im Fernsehen geworben habe),
nicht mit der Verwendung von E-Mail klar kam. Es war für jeden Menschen,
der irgendwie Maus und Tastatur bedienen konnte, intuitiv, dass es sich
hierbei um ein föderales Netzwerk mit entsprechenden Provider- und
Client-Freiheiten handelt (also ohne, dass diese Menschen explizieren
konnten, was die Wörter "föderal", "Client" und "Provider" eigentlich
bedeuten.
Doch dann kam "die Industrie" und hat sich überlegt, wie man dieses
Freiheitsprinzip unterwandern kann und schwups kann der selbe Typ Mensch
eine Generation später nicht mehr mit E-Mails umgehen - oder weiß in
manchen (sogar hochindustrialisierten) Teilen der Welt nichtmal mehr,
was eine E-Mail überhaupt ist (Süd-Korea ist ein gutes Beispiel dafür).
Am Bsp. E-Mail: Wenn ein Mail-Provider der damaligen Generation
vermittelt hätte, dass sie bei diesem Provider nur an User des selben
Providers schreiben können, hätte jeder intuitiv gesagt "Moment mal, so
funktioniert doch E-Mail nicht!". Irgendwie hat es die Industrie
geschafft, das, was einmal intuitiv war, zu verdrängen.

Was die Niedrigschwelligkeit entsprechender Alternativen betrifft, zeigt
Matrix mit Riot ebenfalls, wie man das eine tun kann, ohne das andere zu
lassen: Wer absolut keine Ahnung hat oder haben will, installiert sich
Riot auf dem Smartphone, wird aufgeforder "E-Mail oder Nutzername oder
Telefonnummer" sowie ein Passwort einzugeben (wird also "Telefonnummer"
wählen) und ist angemeldet (damit zwar nicht aufgeklärt, aber wenigstens
schonmal dort, wo er vorzugweise sein sollte, also einem föderalen
Netzwerk). Dass das Proof-of-Concept ist, kann ich insofern bestätigen,
weil mein "70+-Umfeld" teilweise schneller angemeldet war als ich ihnen
die Zugangsdaten für die auf meinem Server angelegte Matrix-ID mitteilen
konnte.

>> Ich habe das an mir selbst beobachten

Förderation und Offene Infrastruktur (Re: FSFE-Matrix-Server)

2019-10-08 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Roland, alle;

Am Dienstag, den 08.10.2019, 23:47 +0200 schrieb Roland Hummel:
> 
> Da stimme ich vollkommen zu, ist aber auch nicht der Punkt, den ich
> meinte. Der von Dir angesprochene Punkt hat eher etwas damit zu tun,
> ob eine Dev-Community der Admin-Community genügend Doku und Tools
> bereitstellt sowie mit ihr ausreichend gut kommuniziert, damit Admins
> die Infrastrukturen möglichst ohne große Hürden betreiben können.
> 

Natürlich. Das setzt aber dann wieder auch "richtige" (qualifizierte,
geschulte) Admins voraus, was "Selbstbetrieb" schwierig macht. Dazu
unten nochmal.



> Gegenargument: Nenn mir einen, der, als E-Mail massentauglich wurde
> (und diverse Provider für ihr Angebot sogar im Fernsehen geworben
> habe), nicht mit der Verwendung von E-Mail klar kam. Es war für jeden
> Menschen, der irgendwie Maus und Tastatur bedienen konnte, intuitiv,
> dass es sich hierbei um ein föderales Netzwerk mit entsprechenden
> Provider- und Client-Freiheiten handelt (also ohne, dass diese
> Menschen explizieren konnten, was die Wörter "föderal", "Client" und
> "Provider" eigentlich bedeuten.

Auch hier: Natürlich. Kein Widerspruch. Aber verschiedene Punkte zu
bedenken:

- Die Menge der Nutzer, die auf E-Mail unterwegs war, ist drastisch
kleiner aus die Menge an Nutzern, die Kanäle wie WhatsApp jetzt
erreicht haben. Ich glaube, man sollte hier trotzdem nicht übersehen
bzw. vernachlässigen, daß WhatsApp, Google, Facebook, Apple, ...
Technologie insgesamt (aus welchen Gründen auch immer) einer deutlich
größeren Menge an Menschen sinnvoll verfügbar gemacht haben als alle
Dienste-Anbieter davor. 


- "Förderiert" und "freie Client-Wahl" in Bezug auf E-Mail hat in
meinem (beruflichen) Umfeld auch in den letzten 5..10 Jahren zunehmend
für Frust gesorgt, weil bestimmte Use Cases, die die Fachanwender sich
gewünscht haben (und die man, mit Verlaub gesagt, in den 2010ern nicht
mehr diskutieren sollte), dort einfach nicht funktioniert haben.
Beispiele: "Verläßlich formatierte" Mails mit fettem Text, farbigem
Text, an den richtigen Stellen eingebundenen Bildern  (etwa für den
Support, der Screenshots mit Hervorhebungen verschickt) und die
*sicher* bei dem Empfänger so aussehen, wie der Absender das wollte.
Illusorisches Unterfangen mit Client-Freiheit und hinreichend
"interpretierbaren" Standards. Oder: Sichere, einfache E2E-
Verschlüsselung, die mit allen denkbaren Randbedingungen (also auch:
mehrere Geräte, verschieden Clients, verschiedene Server zwischendrin)
funktioniert, ohne Rocket-Science zu sein. Kannst Du mit E-Mail getrost
vergessen, mit XMPP ist es mindestens schwierig. Oder (da sind wir eher
bei WhatsApp und den Messengern): Contact Discovery. Ich möchte leicht
und "eingebaut" im Dienst Kontakte, die ich schon anderswo kenne,
erreichen können. 


Ich will hier auch nicht förderierte Systeme per se pauschal
kritisieren. Aus meiner Sicht ist das Problem eher, daß die Vertreter
der etablierten förderierten Systeme "ihre Systeme" mit viel
Enthusiasmus gegen Kritik und Veränderung verteidigen (gern auch mit
Argumenten der Art "was seit den 1980ern funktioniert, kann nicht
schlecht sein") und dabei im Zweifelsfall Anforderungen von Nutzern
bewußt und hart wegdiskutieren, wenn diese nicht in ihre Vorstellung
davon passen, wie die Technologie gebaut ist und funktionieren soll.
Vielleicht braucht es genau dafür Dinge wie Matrix oder Mastodon, die
bestehende Protokolle und darum geschaffene Communities auch bewußt und
hart herausfordern, um diese Fragen zu stellen und zu lösen. So lang
das aber noch nicht passiert ist, wird es für Endnutzer eher schwierig.


> Was die Niedrigschwelligkeit entsprechender Alternativen betrifft,
> zeigt Matrix mit Riot ebenfalls, wie man das eine tun kann, ohne das
> andere zu lassen: Wer absolut keine Ahnung hat oder haben will,
> installiert sich Riot auf dem Smartphone, wird aufgeforder "E-Mail
> oder Nutzername oder Telefonnummer" sowie ein Passwort einzugeben
> (wird also "Telefonnummer" wählen) und ist angemeldet (damit zwar
> nicht aufgeklärt, aber wenigstens schonmal dort, wo er vorzugweise
> sein sollte, also einem föderalen Netzwerk). Dass das Proof-of-
> Concept ist, kann ich insofern bestätigen, weil mein "70+-Umfeld"
> teilweise schneller angemeldet war als ich ihnen die Zugangsdaten für
> die auf meinem Server angelegte Matrix-ID mitteilen
> konnte.

Das stelle ich auch nicht in Frage, aber das meine ich nicht. ;) Mein
Punkt ist eher folgender: Wir haben meinen Schwiegerleuten (Generation
65+) vor einigen Jahren ein Smartphone geschenkt, mit kleinem Internet-
Paket, Signal und Threema. Die Beiden sind technisch gänzlich
uninteressiert, hatten in ihrem Berufsleben nie mit Computern zu tun,
haben das eigentlich eher als Spielzeug betrachtet und dankbar, aber
reserviert aufgenommen. Wir haben gezeigt, wie das zu bedienen ist,
haben ihnen die Telefonnummern all ihrer Bekannten und Kontakte
eingespeichert, und sie haben das Gerät dann und wann genutzt.

Bis zu dem Tag,