Hallo Joachim,
Deine Antwort geht an der Sache vorbei: Was Du zu DSGVO und NIS-2
schreibst, ist völlig richtig, hat aber nichts mit CRA zu tun. Um
Datenschutz und Sicherheit beim IT-Betrieb muss sich jedes Unternehmen
kümmern und ist insofern auch für die dafür ausgewählte Software
verantwortlich. CRA befasst sich aber nicht mit dem Betrieb, sondern mit
der Erstellung von Software(-produkten).
Es ist bereits jetzt klar, dass - wenn CRA so Gesetz wird - viele kleine
FOSS-Projekte in Europa eingestellt werden, weil sie CRA schlicht nicht
umsetzen können. Hunderte von internationalen FOSS-Projekten werden
Europa geo-blocken ("machen wir mit Nordkorea auch") und den Einsatz
ihrer Software in Europa verbieten. Ob das lizenzkonform ist, sei
dahingestellt, aber die Absicht besteht. Zum Beispiel die Linux
Foundation: "Expect to see open source “not approved for the EU” if the
EU CRA goes forward." Die EU sägt sich hier den Ast ab, auf dem sie
eigentlich mit ihren Open-Source-Initiativen sitzen will.
Wer Freie Software erstellt, verschenkt etwas an die Gesellschaft. Die
EU wird mit ihrer nächsten Gesetzesinitiative PLD den Schenkern
vorschreiben, dass sie für die Qualität ihres Geschenks doch bitte in
vollem Umfang haften sollen. Und zwar bei Freier Software jedem
gegenüber, der diese Software nutzt (Ersteller proprietärer Software
haften nur gegenüber ihren Kunden). Da ist es nur folgerichtig, dass
Redhat ihre Repositories dichtgemacht haben.
Aber zurück zu Art. 11 CRA: Da geht es nicht um irgendwelche
Pflichtverletzungen, sondern darum, dass Sicherheitslücken an eine
Unzahl von staatlichen Behörden gemeldet werden sollen, bevor ein Patch
bereitsteht. Das vermindert die Sicherheit anstatt sie zu erhöhen, so
die einhellige Meinung aller Menschen, die sich mit IT-Sicherheit
befassen. Gründe dafür kannst Du zB hier
https://www.centerforcybersecuritypolicy.org/insights-and-research/joint-letter-of-experts-on-cra-and-vulnerability-disclosure
nachlesen.
"Responsible disclosure" trägt nicht umsonst "verantwortungsbewußt" im
Namen.
Ilu
PS: CRA wird nicht für solche Projekte gelten, die rein ehrenamtlich von
Leuten betrieben werden, die auch in ihrem Hauptberuf nicht mit IT Geld
verdienen - das merke ich nur der Vollständigkeit halber an, denn in der
Realität kommt das so gut wie nicht vor.
Am 12.10.23 um 15:43 schrieb Joachim Jakobs:
Hallo Ilu,
Am 11.10.23 um 19:45 schrieb Ilu:
Was dort nicht erwähnt wird (weil es nicht FOSS-spezifisch ist), ist
der richtige Klopper in Art. 11 CRA:
AFAIK lassen sich menschliche/technische Lücken zunehmend automatisiert
ausnutzen. Das sind die Risiken der Hyperkonnektivität.
Deshalb MUSS die Verantwortliche den Nachweis erbringen, dass und wie
sie personenbezogene Daten per DSGVO, betriebliche Prozesse per NIS-2
und softwarehaltige Produkte per CRA schützt. Das heißt: Die
Verantwortliche MUSS Sicherheit 4.0 garantieren können, wenn sich ihre
Verantwortung beispielsweise auf vernetzte Implantate, Autos oder
Solaranlagen beziehen sollte.
Die Bundesregierung hat im Deutschen Umsetzungsgesetz darauf geachtet,
dass das Abwälzen der Verantwortung auf eine D/O-Versicherung
ausgeschlossen ist -- die Verantwortliche ist und bleibt persönlich für
Pflichtverletzungen, delegieren lassen sich lediglich Aufgaben:
"Eine Pflichtverletzung liegt jedoch schon dann vor, wenn durch
unzureichende Organisation, Anleitung bzw. Kontrolle Mitarbeitern der
Gesellschaft Straftaten oder sonstige Fehlhandlungen ermöglicht oder
auch nur erleichtert werden. Diesbezüglichen Verdachtsmomenten muss der
Geschäftsführer unverzüglich nachgehen; weiterhin muss der
Geschäftsführer geeignete organisatorische Vorkehrungen treffen, um
Pflichtverletzungen von Unternehmensangehörigen hintanzuhalten" [1]
Pflichten werden verletzt, wenn das Schutzniveau aus §1 ProdHaftG "Stand
von Wissenschaft und Technik" nicht eingehalten wird:
"Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn [...] der
Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in
dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt
werden konnte."
Das sind die Rechtsfolgen aus den Risiken.
Wollen wir ein niedrigeres Schutzniveau für vernetzte Implantate, Autos
oder Solaranlagen? Ich hoffe nicht! Es läge auch nicht im Interesse der
Herstellerin, wenn sich Schädlinge in den Produkten herumtreiben würden,
denn dann würden die Kundinnen dem Laden wohl die Freundschaft kündigen?!
Diese Regelkonformität der Datenverarbeitung lässt sich nach Ansicht des
BfDI besonders gut mit "Open Source" erfüllen.
Das bestätigt sogar ErwG 52 NIS-2:
"Open-Source-Cybersicherheitswerkzeuge und -Anwendungen können zu einem
höheren Maß an Offenheit beitragen und sich positiv auf die Effizienz
industrieller Innovationen auswirken."
(2) Der Hersteller meldet der ENISA unverzüglich, jedenfalls aber
innerhalb von 24 Stunden, nachdem er davon Kenntnis erlangt hat, jeden
Vorfall, der sich auf die Sicherheit des Produkts mit digitalen
Elementen auswirkt. ...
Mit dieser Pflicht werden insb. Unternehmen kollidieren, die nicht in
den Quellcode ihrer Lieferkette gucken können.
Die Frage ist: Wie sollte sich die Sicherheit von Daten, Prozessen und
Produkten sichern lassen, wenn nicht durch eine umfassende
Rechenschaftspflicht der Verantwortlichen für eigenes Handeln sowie das
Handeln derer, die im Auftrag dieser Verantwortlichen an der Planung,
Entwicklung, Einrichtung, Verwaltung oder Nutzung von SW zur
Verarbeitung/Durchführung von Daten/Produkten und Prozessen beteiligt sind?
Tatsächlich kritikwürdig empfinde ich es, dass die Gesetzgeberin
einerseits für umfassende Rechenschaftspflichten eintritt -- und
gleichzeitig andererseits Vorratsdaten sammeln, Chats kontrollieren und
wer weiß Gott noch alles treiben will -- womit sie am Ende in
Karlsruhe/Luxemburg aufm Bauch landen wird.
Leider habe ich keine öffentliche Stimme zu dieser Kritik oder den
Schlußfolgerungen gehört, die sich aus der Hyperkonnekvitität ergeben.
Moment -- Stimmt nicht ganz:
"Nachhaltige Digitalisierung geht nur sicher. Oder überhaupt nicht!" [2]
Ich fänds gut, wenn die FSFE diesen Ball aufgreifen würde.
Gruß Joachim
[1] https://openjur.de/u/2395749.html
[2]
https://www.nbs.de/die-nbs/aktuelles/news/details/news/nachhaltige-digitalisierung-geht-nur-sicher-oder-ueberhaupt-nicht
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