Vor ca. 22 Jahren gab es in der Zeitschrift "Chip" einen Wettbewerb zwischen
WordPerfect und Microsoft Word.

Er lief folgendermaßen ab: Beide Firmen schickten ihren besten Spezialisten,
sie saßen an einem großen Tisch und mussten beide ein komplexes Dokument
formatieren. Der Spezialist von WordPerfect schaffte die Aufgabe in der
Hälfte der Zeit.

Seitdem habe ich nie einen solchen objektiven Wettbewerb gesehen. In
Zeitschriften wird Software bestenfalls von gestressten Journalisten
anprobiert. Die eigentlichen Spezialisten bzw. Anwender kommen gar nicht zu
Wort.

Ganz anders sieht es aus bei Hardware-Tests. Hier werden Grafikkarten oder
Prozessoren ppp. anhand mehr oder minder objektiver Kriterien miteinander
verglichen.

Das ist leicht zu erklären. Denn wenn eine Grafikkarte schlecht abschneidet,
dann:

a) kriegt es nur ein kleines Publikum mit

b) die Firma schiebt wenige Monate später ein Nachfolgemodell nach und alles
ist wieder gut

c) die Zeitschrift verliert keine mächtigen Werbekunden

d) ein schlechter Bericht wird bei der Herstellerfirma einen Schaden
anrichten, der sich schlimmstenfalls im 100tausender-Bereich bewegt

Ganz anders sieht es aus im Softwarebereich, vor allem im Bereich der
Bürosoftware. Hier geht es nicht um 100t, sondern um Milliarden.

Warum ganz speziell Bürosoftware und nicht genauso beispielsweise
Datenbanksoftware oder Netzwerksoftware?

Auch das ist leicht zu erklären.

Datenbanksoftware, um bei dem Beispiel zu bleiben, wird von Spezialisten
verwendet, die in der Lage sind zu protestieren, wenn was nicht
funktioniert. Sie sind eher miteinander vernetzt und können ihre Ablehnung
oder Kritik mit fundierten Argumenten vertreten.

Bürosoftware wird weitgehend von Sekretärinnen benutzt, die in der
Arbeitshierarchie ganz weit unten stehen und allein daher, aber auch weil es
in der Regel Frauen sind,

a) nicht ernst genommen werden

b) nicht die technische Schulung besitzen, um eine Kritik zu begründen

Die DV-Abteilungen von öffentlichen Einrichtungen, Verwaltungen,
Großbetrieben und Banken wiederum haben das technische Knowhow auf ganz
anderen Gebieten: Netzwerkinfrastruktur, Großdatenbanken,
Sicherheitstechnik, Protokolle und Gott weiß nicht was sonst. Sie sind es
aber nicht, die von 8 Uhr morgens bis 17 Uhr Texte verfassen müssen. Diese
Spezialisten werden daher mit den Problemen von Sekretärinnen oder auch von
Studierenden, die mühsam ihre Arbeiten formatieren, gar nicht erst
konfrontiert.

Die Büroabteilungsleiter besitzen auch nicht das notwendige Fachwissen,
Hauptsache "ihre" Sekretärin liefert den Bericht pünktlich ab. Ob mit
ergonomischer Software oder nicht, ist ja egal.

Nun, auf dieser Mailing-Liste hat der eine oder andere aus Frust vor der
Situation, in der OpenOffice derzeit steht, geäußert, "dann gehe ich halt
zurück zu MS-Office".

Diese Haltung kann ich nicht richtig nachvollziehen.

Denn auch wenn OOo eine Weile bei der Version 3.3 (auf vielen
Linux-Distributionen wie Easy Peasy 1.6 sogar noch die 3.2) verharrt, ist es
dennoch allen MS-Office-Versionen, ob 2003, 2007 oder 2010 objektiv haushoch
überlegen.

Was wir brauchen wäre ein solcher objektiver Wettbewerb - eine 80-seitige
Diplomarbeit mit Grafiken, Tabellen, Verzeichnissen usw. oder ein
300-seitiges Buch mit dazu noch Stichwortverzeichnis und Querverweisen zu
formatieren und schauen, wer diese Aufgabe am schnellsten erledigt, der
OOo-Spezialist oder der MS-Word-Spezialist?

Ich lege meine Hand ins Feuer, dass ersterer in weniger als der Hälfte der
Zeit ein einheitliches und schön formatiertes Endergebnis erzielt.

Ich habe große Zweifel, ob Microsoft bereit wäre, das Risiko einzugehen,
sich einem solchen Wettbewerb nach 22 Jahren wieder zu unterziehen.

Best
Dave





2011/7/18 michael <mikea...@openoffice.org>

> Axel Hörnke schrieb:
> > Am 15.07.2011 17:45, schrieb michael:
> >> Günter Feierabend schrieb:
> >>> Hallo,
> >>>
> >>> noch etwas auf Heise.de - diesmal zu ODF:
> >>>
> >>>
> http://www.heise.de/newsticker/meldung/ODF-Plugfest-ODF-muss-sich-noch-bewaehren-1280228.html
> >>>
> >>>
> >>
> >> Dieser Bericht ist schlicht grausam und recht einseitig.
> >
> > Finde ich nicht, er spiegelt die Realität wieder. Ob es uns gefällt oder
> > nicht.
> >
>
> Nunja, es gab schon ein Update, weil der Reporter wohl etwas "in den
> falschen Hals bekommen" hat.
>
> Im Übrigen dient ja, was so nicht wirklich gut herauskommt, das Plugfest
> gerade dazu, die Unterschiede bei der Darstellung zu eliminieren.
>
> Also man hätte das schon etwas wohlwollender darstellen können, wenn man
> das gewollt hätte.
>
> Gruß
> Michael
>
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